Frau sein ≠ Mutter sein
Kennst du folgendes Bild oder ein ähnliches?
Du sitzt am reichhaltig gedeckten Frühstückstisch. Es steht ein wunderschöner Blumenstrauß da. Die Sonne scheint herein. Dein herausgeputztes Kind kommt mit dem Papa zum Frühstückstisch und gibt dir freudestrahlend ein Päckchen mit einem selbstgebastelten und selbsteingepackten Geschenk und ruft freudig: „Alles Liebe zum Muttertag! Ich hab dich lieb!“
Aber da macht es ganz laut „Plop!“. Seifenblase geplatzt.
Denn das Kind gibt es nur in deiner Vorstellung und die Situation ist ein Wunschtraum.
Der Schmerz fährt dir wieder ins Herz.
Du wärst so gern Mutter und würdest gern all deine Liebe an dein Kind weitergeben, ihm die Welt erklären und miterleben, wie dieser kleine Mensch groß wird und so vieles mehr.
Hach, denkst du, wenn ich nur schwanger werden würde und bliebe, wäre alles gut! Und eine Träne stiehlt sich über dein Gesicht.
Denn bisher hat es nicht geklappt, keiner weiß, ob es je klappen wird. Du lebst jeden Tag auf diesen Traum hin und das mit ganz viel Ungewissheit.
Der Traum ist so schön und auch vollkommen ok. Aber die Ungewissheit kostet sehr viel Kraft und nährt deine Selbstzweifel.
Bin ich eine Versagerin? Ich kann nicht mal das einfachste der Welt – ein Kind zeugen und austragen. Ich fühle mich nutzlos, wertlos, unvollständig.
STOPP!
Nein, du bist nichts davon. DU bist wertvoll!
- egal, ob du groß, klein, dick oder dünn bist,
- egal, was die anderen über dich denken oder sagen,
- egal, ob du ein Kind hast oder nicht,
- egal, was du über dich selbst denkst.
Jeder Mensch, DU, ich, wir alle sind wertvoll, so wie wir sind!
Woher kommt denn diese Ansicht, dass eine Frau nur als Mutter vollständig ist?
Jahrhundertelang wurde ein (christliches) Bild vom elterlichen Glück und vom Leid der Kinderlosigkeit geprägt, das sich vor allem auf Frauen konzentrierte. Es gab sogar Gebete, die kinderlosen Frauen Trost spenden sollten! Denn diese Frauen können ja nur leiden und traurig sein. So die Geschichte.
Die Jahrhunderte sind auch geprägt von Geschichten über die Wunder von doch noch erreichten Schwangerschaften und Babys. Solche Geschichten verstärken die Hoffnung auf ein Kind und dadurch die Konzentration auf den Kinderwunsch.
Nach dem Motto: Du musst dich nur genügend anstrengen und Geduld haben, dann bekommst du dein Kind.
Aufgeben ist keine Option! ist das heutige Motto, das auf den Social-Media-Kanälen rauf und runter gepostet wird. Eine Folge der langen Geschichte, die tagtäglich weitergetragen und genährt wird.
Ich habe auch schon einmal von einer Frauenärztin den Satz gehört, dass Frauen doch nur als Mutter glücklich sein könnten.
Mich schüttelt es bei solchen Aussagen.
- Weil es für alle Menschen, die eben am Ende kein Kind bekommen können, eine Ohrfeige ist. Ich finde das so unfair.
- Weil es Menschen vorschreibt, wie sie sein sollen. Das finde ich nicht gerade tolerant.
- Aufgeben wird mit Versagen gleichgesetzt. Das ist eine Aussage, die alle, die sich für einen anderen Weg entscheiden, abwertet.
Der geschichtliche Hintergrund trägt seinen Teil dazu bei, dass es vielen Menschen, so wie auch dir, schwerfällt, sich ein kinderloses Leben vorzustellen. Es ist in unserer Gesellschaft einfach nicht vorgesehen.
Daneben gibt es natürlich noch mehrere Gründe, die die Vorstellung kinderlos glücklich zu werden, schwermachen. Es gibt ganz persönliche Gründe und auch eine rein biologische Anlage, dass wir uns einfach fortpflanzen möchten.
Dein unerfüllter Kinderwunsch tut trotzdem weh und du musst jeden Tag damit umgehen.
Was also tun?
Was du persönlich tun kannst:
Ein erster Schritt kann es sein, sich (wieder) mehr um sich selbst zu kümmern. Sich zu überlegen, wie will ich diesen Muttertag verbringen, so dass es mit gut geht.
Einige wirksame Impulse für deine Selbstfürsorge habe ich in diesem Blogartikel für dich zusammengestellt.
Reduziere dich nicht auf deinen Kinderwunsch. Du bist viel mehr!
Überlege dir: Wer bin ich noch neben der Frau mit unerfülltem Kinderwunsch? Was macht mich aus? Was mache ich gern? Was kann ich gut?
Wozu wir alle beitragen können:
Gesellschaftlich brauchen wir ein neues Narrativ, eine neue Geschichte, die erzählt, dass alle Menschen ok und wertvoll sind, egal ob mit oder ohne Kind, egal auch ob gewollt oder ungewollt. Und egal mit welcher Hautfarbe, Religion – um es mal sehr weit zu fassen. Aber im Grunde geht es genau darum, um Toleranz, Akzeptanz und Gleichberechtigung verschiedener Lebensformen von Menschen.
Wenn wir das hätten, würden von Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch viel Last abfallen. Die Last sich schlaue Ratschläge anhören und sich rechtfertigen zu müssen.
Und falls es dich interessiert, hier noch ein paar Fakten zum Muttertag:
Es gab so eine Muttertag bereits in er Antike und auch aus dem Mittelalter wird darüber berichtet.
Die heutige Form des Muttertags nahm seinen Anfang im Jahr 1907. Anna Marie Jarvis ließ 2 Jahre nach dem Tod ihrer Mutter an deren Todestag am 09. Mai, einen Gedenkgottesdienst für sie abhalten. Sie verteilte vor der Kirche weiße Nelken an alle anderen Mütter, um sie bereits zu Lebzeiten zu ehren.Das fand großen Anklang und einige Jahre später wurde der zweite Sonntag im Mai in den USA offiziell als „Mothers’s Day“ festgelegt.
Er wurde schnell kommerzialisiert, was der Gründern nicht gefiel.
Der Blumenhandel warb stark für den Mutterstag in Deutschland und er wurde anfang der 20er Jahre hier eingeführt.
Im Nationalsozialismus wurde der Muttertag dann zu Propagandazwecken genutzt.
Nach der Teilung Deutschlands führte die Bundesrepublik den Muttertag wieder ein. In der DDR hingegen wurde der Muttertag als rückschrittig angesehen, stattdessen wurde der Frauentag am 08. März gefeiert.
Ich persönlich finde den Frauentag ja viel besser als den Muttertag, weil er alle Frauen einschließt und eben diesen Mütterkult nicht unterstützt. 🙂
Quellen zur Muttertagsgeschichte – zum Weiterlesen
br.de
Eltern.de
Philognosie.net