Sie oder Ihr Partner haben die niederschmetternde Diagnose bekommen, keine Spermien zu produzieren? Sie fühlen sich vollkommen allein, weil Sie eigentlich nicht darüber sprechen wollen oder können?
Es geht vielen Männern ähnlich, die die Diagnose der Unfruchtbarkeit, ob in Form einer Azoospermie oder einer genetischen Störung. Es soll hier um diese Männer gehen und einen ersten Einblick in ihr Erleben geben. Denn wir brauchen mehr Offenheit für dieses Thema in unserer Gesellschaft.
Im August diesen Jahres ist das Buch „Ohnekind“ von Benedikt Schwan, ein Journalist, der zeugungsunfähig ist und dies im Buch beschreibt, erschienen. Im September betitelte der Spiegel „Der unfruchtbare Mann“. Das Tabuthema der männlichen Unfruchtbarkeit rückt tatsächlich in die Öffentlichkeit.
Bisher hat sich die Öffentlichkeit nämlich leider kaum für männliche Unfruchtbarkeit und auch nicht für die unfruchtbaren oder zeugungsunfähigen Männer interessiert. Im privaten Raum gibt es immer wieder hilflose, überforderte Reaktionen, Herumdruckserei oder auch dumme Sprüche, wenn ein Mann sich öffnet.
Beim Thema unerfülltem Kinderwunsch dreht sich (fast) alles um die Frau.
Wie ist die Situation für einen Mann?
Es kann einen Mann einige Überwindung kosten, sich überhaupt untersuchen zu lassen. Denn dann hat man das Ergebnis schwarz auf weiß – das kann beängstigend sein.
Aber nur, weil über ein Thema nicht gesprochen und es sogar mit einem Tabu belegt wird, ist es nicht weg. Es ist da. Es gibt unfruchtbare Menschen, die auch darunter leiden. Das Tabu verstärkt die Belastung, weil es deutlich sagt: So wie du bist, ist nicht ok. Das wollen wir nicht sehen, es ängstigt uns – die Gesellschaft.
Wenn Männer dann vom Urologen oder von der Reproduktionsmedizinerin im Kinderwunschzentrum die Diagnose der Unfruchtbarkeit oder Zeugungsunfähigkeit erhalten, ist das ein Akt der Faktenmitteilung – mehr nicht. Dann ist der Job des Urologen erledigt.
In meinen Beratungen höre ich oft: „Frau Kitterer, Sie sind die Erste, die mich fragt, wie es mir geht. Das hat mich bisher noch niemand gefragt.“ Und das passiert oft nach einem langen Weg durch viele Untersuchungen und mögliche Behandlungen.
Auch der Spiegelartikel bezieht sich viel auf die Fakten und wenig auf das Erleben eines Mannes, der mit der Diagnose der Sterilität erfährt, dass er keine Kinder zeugen kann. Schade.
Wie geht es den Männern, die unfruchtbar sind?
Für die meisten ist es wie ein Schlag ins Gesicht, ein Schock, eine Tatsache, mit der sie nie gerechnet hatten. Es ist ähnlich wie zu hören, dass man an einer schweren Krankheit leidet. Plötzlich steht die Welt Kopf und die Männer stellen sich Fragen wie: Warum bin ich eigentlich hier? Was ist denn eigentlich mein Sinn und Zweck auf der Welt, wenn ich keine Kinder in diese Welt setzen kann?
Damit haben sie nicht gerechnet. Denn die eigene Fruchtbarkeit stellen sie (wie wir alle) vorher gar nicht in Frage. Es funktioniert ja beim Sex alles. Denn potent zu sein, heißt leider nicht automatisch auch fruchtbar zu sein.
Es ist etwas gestorben im Mann – die Hoffnung und die Selbstverständlichkeit, eigene Kinder zu bekommen! Das fühlt sich verdammt ungerecht an und neben einer Traurigkeit, fühlen sich viele Männer auch wütend, neidisch, hilflos und ohnmächtig. Das ist in einen Trauerprozess normal. Es ist also vollkommen ok!
Trauen Sie sich, aktiv zu werden!
Anfangs fällt es den Männern oft schwer, darüber zu sprechen. Sich aktiv mit der Situation auseinanderzusetzen, sie anzunehmen und sich selbst neu zu finden, ist wichtig, um diese Krise zu überwinden und gestärkt aus ihr herauszugehen und wieder in ein zufriedenes, erfülltes Leben zu finden. Und dann ist da ja auch noch die Partnerin und die Beziehung zu ihr – aber das ist ein anderes Thema.
Wagen Sie sich ein Stück aus der Tabuzone heraus und vereinbaren Sie einen Gesprächstermin mit mir, das in einem geschützen Rahmen stattfindet. Denn es tut gut, offen sprechen zu können!
Falls Sie schon einen Schritt weiter sind, geht es hier zu meinen Gesprächsangeboten zum Thema Samenspende.
Es ist gut, die eignen Gefühle ernstzunehmen, auch wenn sie unangenehm sind. Was tut Ihnen gut? Was brauchen Sie im Moment? Austausch oder eher Abstand und Ablenkung? Sorgen Sie gut für sich selbst und lassen Sie auch Ihre Trauer zu!
Hier gehts zum Buch Ohnekind
Hier gehts zur Spiegel-Ausgabe 38/2020